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100 Jahre Binder-Orgel in Pertolzhofen

Im Inventarverzeichnis der Kirche von Pertolzhofen aus dem Jahre 1808 zählt Kirchenpfleger Johannes Lindl neben der Orgel, zwei Pauken samt Remer (Pauken mit Trageriemen), zwei Drumpeten alte (Trompeten), ein Drummel (Trommel) auf.

1853

beschwerte sich Murach, dass die sonntäglichen Messen des Schulexpositus keine stillen Messen seien, sondern oft mit Pauken und Trompeten gespielt werde. Der Schulexpositus sang also nicht das Amt – aber die Musikanten spielten.

1862

wurde in Pertolzhofen die Orgel für 120 Gulden repariert. Zum Wert des Geldes sei gesagt: ein einfacher Arbeiter verdiente damals am Tag 45 Kreuzer = ¾ Gulden. Nun fragte man an, ob bei Messen des Schulexpositus die Orgel gespielt werden dürfe. Der Pfarrer von Niedermurach lehnt die Bitte ab, das Ordinariat sagte zu, es dürfen jedoch vom Schulexpositus keine Ämter gesungen werden. Bei dieser Gelegenheit erfahren wir, dass 1850 Bischof Valentin bei einer Visitation in der Pfarrei, das Orgelspiel schon erlaubt hatte.

1915

lässt Expositus Brombierstäudl unsere jetzige Orgel, also vor rd. 100 Jahren in die Expositur Kirche einbauen. Dabei wurde der Orgelprospekt der alten Orgel erhalten, der Spieltisch wurde umgedreht, so dass der Organist in Blickrichtung Altar sieht. Am Samstag den 7. August 1915 traf die Orgel in Pertolzhofen ein. Erbauer: Martin Binder & Sohn, Inhaber Willibald Siemann und Cie / Opus 323 / aus Regensburg. Am 15. August 1915 wurde die neue Orgel vom Domorganisten J. Renner zum ersten Mal gespielt.

1956

wurde ein elektrisches Orgelgebläse eingebaut.

Soweit aus der Geschichte von Pertolzhofen von Rudolf Weiß, veröffentlicht im damaligen Kirchenanzeiger, dem Liebfrauenboten der Jahrgänge 1963 bis 1967

2003

Bei der Kirchenrenovierung 2003 stand auch die Renovierung der Orgel an. Es wurde von mehreren Orgelbauern die Orgel überprüft. Das Urteil des Orgelbaumeisters Thomas Jann aus Allkofen lautete:

Das sowohl klanglich als auch handwerklich ordentliche Instrument bedarf dringend einer Generalsanierung. Die pneumatischen Ledermembranen für die Tonansteuerung sind verbraucht und müssen ausgewechselt werden. Da kaum Wurmbefall vorhanden ist, die Zugängigkeit der Orgel gegeben ist und klanglich die Orgel ihre eigenen Reize besitzt, ist ein Neubau nur anzuraten, wenn das vorhandene Instrument einen neuen Aufstellungsplatz erhält.

2004

wurde die Orgel durch die Firma Thomas Jann restauriert. Dabei wurde das Pfeifenwerk abgetragen und gereinigt, einige kleine Pfeifen wurden repariert bzw. rekonstruiert. Die 621 Ventil und Ralaismembranen an den Windladen wurden ausgetauscht. Die Spieltischanlage wurde überholt, sowie ein neuer Ventilator mit Schallschutzkasten eingebaut. Nach dem Einsetzen der Pfeifen wurden diese neuintoniert und gestimmt.

Die Kirchenverwaltung und die Organisten sind davon überzeugt, mit der Restaurierung dieser 1915 gebauten Orgel, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Ein Schild an unserer Orgel weist auf den Zeitgeist hin der damals herrschte, als unsere Orgel gebaut wurde. Der Text lautet:   

In großer Zeit bin ich geschaffen
wo Deutsche Art und Deutsches Schwert 
sich gegen eine Welt in Waffen
in blutigem Kampfe neu bewährt.

Pertolzhofen 1915             Brombierstäudl

Auch am Spieltisch der Orgel ist ein Schild angebracht mit der Aufschrift:

Aufgestellt im Kriegsjahr 1915 Expositus Ignatius Brombierstäudl

Biographisches 

Willibald Siemann wurde am 20.5.1864 im bayerischen Streitheim geboren. Schon mit 22 Jahren avancierte er 1886 zum Teilhaber der Orgelbauanstalt seines Onkels Martin Binder in Pfaffenhofen. Im Jahre 1890 gründete Siemann einen eigenen Betrieb in München. Bis 1893 baute er noch mechanische Kegelladen, danach ausschließlich pneumatische. Nach dem Tod Binders vereinigte Siemann beide Werkstätten zu einem Betrieb unter der Firma Martin Binder & Sohn, Inh. Willibald Siemann, später nur noch Willibald Siemann &Co., München und Regensburg. Die Orgelbauanstalt Willlibald Sielmann und Co baute in der Zeit von 1890 bis 1944 etwa 500 Instrumente, überwiegend mit pneumatischen Kegelladen. Darunter Orgeln für den Regensburger Dom (1905) und die Klosterkirche von Waldsassen (1914).

Aufbau und Funktionsweise einer Pfeifenorgel

Der folgende Kurzbericht ist nur eine sehr kleine schematische Darstellung einer Pfeifenorgel. Sie soll nur die wichtigsten Details erklären, denn über Einzelheiten und Umfang der Möglichkeiten bei den Kirchenorgeln, wurden unzählige Bücher geschrieben. Als erstes unterscheidet man bei Pfeifenorgeln nach mechanischen, pneumatischen und elektrischen Trakturen. Als Traktur wird die Übertragungsart von der Tontaste zum Pfeifenventil bezeichnet. Bei der Mechanischen wird die Ventilöffnung für die Pfeifen, von der Tontaste auf dem Spieltisch, durch ein Gestänge bewerkstelligt. Bei der Pneumatischen wird das Ventil über eine Druckluftleitung von der Tontaste aus angehoben. Und bei der Elektrischen wird über eine Stromleitung vom Spieltisch aus ebenfalls, das Ventil elektromechanisch angehoben. Diese Pfeifenorgel mit elektrischer Traktur, bitte nicht verwechseln mit neuartigen elektronischen Orgeln, die nichts mit Pfeifenorgeln zu tun haben.

Unsere Orgel hat eine pneumatische Traktur. Vom Spieltisch führt von jeder Taste ein Bleiröhrchen zu den einzelnen Tonreihen der Pfeifen. Der weitere Grundaufbau ist eigentlich bei allen Pfeifenorgeln vom Prinzip her gleich. Die Orgelpfeifen können je nach Klangfarbe oder Tonhöhe aus Metall oder Holz bestehen. Je länger eine Pfeife ist, desto tiefer wird ihr Ton.

Als Register bezeichnet man eine Pfeifenreihe mit gleicher Klangfarbe und gleicher Bauart. Unsere Orgel hat neun Register, die auf zwei Manuale und Pedalwerk verteilt sind:

I. Manual   C – f3 II. Manual  C – f3
  1  Prinzipal         8`   5  Salicional            8`
  2  Tibia               8`   6   Liebl. Gedeckt   8`
  3  Oktav             4`   7  Gamba               8`
  4  Mixtur      2 2/3`   8  Traversflöte        4`
Pedal  C – d1
9   Subbaß   16`
9a  Zartbaß   16`   Windabschwächung

Die mit Händen gespielte Klaviatur wird Manual und die mit den Füßen gespielte Klaviatur wird Pedal genannt.

Das technische Kernstück einer Pfeifenorgel ist die Windlade. Dieser unscheinbare Holzkasten steuert die Windzufuhr zu den einzelnen Pfeifen. Auf der Oberseite, dem sogenannten Pfeifenstock, sind alle zu einem Ton gehörenden Pfeifen in einer Reihe hintereinander angeordnet. Unterhalb ist jeweils eine Kammer dem dazugehörigen Ton zugeteilt. Diese Kammern sind mit einem Spielventil verschlossen. Darunter sitzt der Windkasten, der von einem elektrischen Gebläse mit Wind versorgt wird. Wenn nun eine bestimmte Tontaste gedrückt wird, wird über die Traktionsverbindung das betreffende Spielventil geöffnet und der Windstrom kann in diese zugeteilte Kammer mit diesem Ton gelangen.

Quer zu diesen Kammern verläuft die Aufteilung der Pfeifenreihen nach Registern. Zur Registersteuerung sind quer zu den Kammern, sogenannte Schleifen eingebaut. Diese beweglichen Holzleisten haben Bohrungen im Abstand der Pfeifentonreihen. Wird nun ein Register gezogen, so stimmen die Löcher genau mit den Pfeifenreihen überein. Der Wind kann nun durch das Spielventil, die Tonkammer und schließlich durch die übereinander liegenden Bohrungen der Schleife in die Pfeife strömen.

Zum Ausschalten eines Registers wird die Schleife zurückgeschoben und somit sind die Bohrungen abgedeckt. Werden mehrere Register gezogen, werden entsprechend viele Pfeifen über die Schleifen freigegeben. Wird z. B. die Tontaste „C“ gedrückt, erhalten alle Pfeifen der Tonreihe „C“ Wind, jedoch werden nur die Pfeifen angespielt, die durch gezogene Register freigegeben sind.Durch das Kombinieren von verschiedenen Registern, kann der Organist die unterschiedlichsten Klangvariationen  erzeugen. So erklärt sich auch, warum bei jedem unserer Organisten manche Kirchenlieder eine andere Klangfarbe haben, obwohl sie alle die gleichen Noten verwenden.      

2015  Zusammengestellt von Kirchenpfleger Josef Hoch

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